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Jahresbericht 2017

Nach § 57 (2) 11 Pflanzenschutzgesetz hat das Julius Kühn-Institut die Aufgabe, Bienen auf Schäden durch Pflanzenschutzmittel zu untersuchen. Im Jahr 2017 wurden der Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen 116 Bienenschadensfälle mit 1056 geschädigten Völkern von 129 betroffenen Imkern aus dem gesamten Bundesgebiet gemeldet, bei denen eine Vergiftung durch Pflanzenschutzmittel oder nichtlandwirtschaftliche Biozide als Schadensursache vermutet wurde. Über ein Drittel der Schadensmeldungen kam aus Bayern (21) und Niedersachsen (19), gefolgt von Sachsen (15), Baden-Württemberg (13), Nordrhein-Westfalen (10), Brandenburg (8), Sachsen-Anhalt (7), Hessen (6), Schleswig-Holstein (5), Mecklenburg-Vorpommern (4), Thüringen (4), Rheinland-Pfalz (3) und dem Saarland (1). Aus den Stadtstaaten Hamburg und Bremen sowie aus Berlin wurden keine Schäden gemeldet. Das Ausmaß der Schädigung reichte von einzelnen toten Bienen bis hin zu Totalverlusten von Völkern. In einigen Fällen waren Verluste ganzer Stände zu beklagen.

Zur Klärung der Schadensursache wurden von den betroffenen Imkern bzw. den beteiligten Institutionen 139 Bienenproben, 52 Pflanzenproben und 18 Proben mit Waben und anderen Materialien wie Erde, Bienenkot usw. eingesandt. Die Probennahme und Einsendung der Proben erfolgte in vielen Fällen in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des zuständigen Pflanzenschutzdienstes. Zu 81 Schadensfällen wurde geeignetes Bienenmaterial eingesandt, so dass eine Untersuchung zum Nachweis einer Bienenvergiftung durch Pflanzenschutzmittel bzw. Biozide durchgeführt werden konnte. Bei 35 Schadensfällen war das Probenmaterial zu gering, zu alt oder aus anderen Gründen für eine aussagekräftige Untersuchung nicht geeignet.

Geeignete Bienen- und Pflanzenproben wurden zunächst in einem Biotest mit den Larven der Gelbfiebermücke Aedes aegypti L. auf Anwesenheit toxischer Substanzen untersucht. Bei 82 Bienen- und 17 Pflanzenproben war aufgrund der Testergebnisse nicht auszuschließen, dass das Probenmaterial Rückstände bienentoxischer Pflanzenschutzmittel oder Biozide enthält. Entsprechende Proben wurden daraufhin chemisch mittels hochempfindlicher LC-MS/MS und GC-MS Technik auf zugelassene und nicht zugelassene bienentoxische Insektizide, Akarizide, Nematizide sowie synergistische Fungizide und andere relevante Substanzen untersucht (ca. 140 Wirkstoffe). Sofern Pflanzenproben von behandelten Kulturen vorlagen, wurde Bienen- und Pflanzenmaterial zusätzlich auf zahlreiche nicht bienentoxische Wirkstoffe aus Herbiziden und Fungiziden untersucht, die der Zuordnung von Bienen- und Pflanzenproben dienen (insgesamt 282 Wirkstoffe). Bei 11 Bienen- und 17 Pflanzenproben konnte aufgrund des Biotests eine Kontamination mit bienentoxischen Substanzen weitgehend ausgeschlossen werden. Eine aufwendige chemische Untersuchung wurde in diesen Fällen nicht veranlasst, um die Bearbeitungszeiten anderer Schadensfälle zu verringern.

Bei der routinemäßigen Untersuchung auf Befall mit dem Darmparasiten Nosema apis bzw. N. ceranae wurden in 58 von 99 untersuchten Bienenproben Sporen gefunden. In 7 Bienenproben wurde ein deutlicher bis starker Befall festgestellt, der darauf schließen lässt, dass die betroffenen Völker an Nosemose erkrankt waren. Bei 14 Bienenproben wurde ein mittlerer Befall festgestellt. Bei den übrigen Proben war der Nosema-Befund unauffällig.

Bei 92 Bienenproben wurde Pollen aus dem Haarkleid oder - wenn vorhanden - aus den Pollenhöschen der Bienen entnommen und lichtmikroskopisch untersucht, um Hinweise auf die zuletzt beflogenen Pflanzen bzw. Kulturen zu erhalten. Dazu wurde der Pollen anhand von Größe, Form, Oberflächenstruktur und anderen Merkmalen bestimmt und den entsprechenden Pflanzenfamilien bzw. -gattungen zugeordnet. Pollen aus den Einsendungen bis Ende Februar stammte fast ausschließlich von Efeu, Senf und Phacelia aus dem Vorjahr. Bei den Frühjahrseinsendungen dominierten typischerweise Weiden-, Obst- und Rapspollen. Spargelpollen, der in der Vergangenheit gelegentlich im Zusammenhang mit Bienenvergiftungsschäden in den Monaten Juli und August nachgewiesen wurde, lag nur in einer Bienenprobe als Nebenpollen vor.

In 15 Schadensfällen wurden bei der chemischen Untersuchung bienentoxische Wirkstoffe im Bienenmaterial nachgewiesen. In 12 dieser Schadensfälle handelte es sich um Insektizide aus bienengefährlichen Pflanzenschutzmitteln mit der Einstufung B1 (jegliche Anwendung an blühenden Pflanzen einschl. Unkräutern verboten) bzw. B2 (Blütenanwendung nur abends nach dem Bienenflug) oder um Insektizide aus nicht bienengefährlichen Pflanzenschutzmitteln mit der Einstufung B4 (in zugelassener Aufwandmenge keine Schädigung von Bienen und Bienenvolk), die unzulässigerweise in Kombination mit sogenannten Azol-Fungiziden, in Mischung mit anderen Insektiziden oder mit überhöhter Aufwandmenge während des Bienenfluges in die Blüte ausgebracht wurden. In 11 Schadensfällen wurden im Bienenmaterial Insektizide nachgewiesen, die eindeutig aus Bioziden stammen und gezielt in die betroffenen Bienenvölker eingebracht wurden (Frevel). In 3 Schadensfällen wurden im Bienenmaterial Insektizide nachgewiesen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Bioziden stammen, aber in der Vergangenheit auch als Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe zugelassen oder genehmigt waren, so dass eine illegale landwirtschaftliche Verwendung nicht völlig ausgeschlossen werden kann.

Die 10 häufigsten schadensursächlichen Wirkstoffe bei Bienenschäden im Jahr 2017:

Wirkstoff  Einstufung als
PSM
sonstige
Verwendung
Anzahl
Schäden
DimethoatB1-2
l-Cyhalothrin + Azol-FungizidB2 in Mischung-2
EtofenproxB2Biozid2
ClothianidinB1, B3Biozid2
Fipronilnicht zugelassenBiozid1
ImidaclopridB1, B3Biozid1
Chlorpyrifosnicht zugelassenBiozid1
IndoxacarbB4 (Obst), B1 (Raps)Biozid1
beta-CyfluthrinB2-1
SpinosadB1Biozid1

Die Ergebnisse der biologischen und chemischen Untersuchungen wurden den Einsendern des Probenmaterials zugeschickt. Insgesamt wurden 81 biologische und 71 chemische Befunde erstellt. Für alle vollständig biologisch-chemisch untersuchten Schadensfälle wurde zudem eine abschließende Bewertung der Untersuchungsergebnisse erstellt und den Einsendern zusammen mit dem chemischen Befund zugeschickt. Sämtliche Befunde wurden den zuständigen Pflanzenschutzdiensten zur Information mitgeteilt.

Bei einem Teil der im Herbst gemeldeten Schäden zeigten die geschädigten Bienen deutliche Symptome von Viruserkrankungen, die durch die Varroamilbe übertragen werden und einen starken Varroa-Befall der betroffenen Völker vermuten lassen. Rückstellproben von verdächtigem Bienenmaterial wurden zur Untersuchung auf Bienenviren an das Nationale Referenzlabor für Bienenkrankheiten des Friedrich-Loeffler-Instituts versandt. Bei nahezu allen ausgewählten Bienenproben wurde ein mehr oder weniger starker Befall mit relevanten Bienenviren festgestellt.

Insgesamt lag die Zahl der gemeldeten Schäden unter dem Niveau des Vorjahres. Der Anteil möglicher Vergiftungsschäden durch Pflanzenschutzmittel an den biologisch-chemisch untersuchten Schadensfällen lag mit ca. 21% sogar deutlich niedriger als in anderen Jahren.

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