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Jahresbericht der Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen für 2019

JKI, Institut für Bienenschutz

Autoren: Jens Pistorius, David Thorbahn, Gabriela Bischoff
Mitwirkende: Christiane Klein, Hartmut Nowak, Kerstin Paulutt, Benjamin Grasz, Renate Scheb-Wetzel

Nach § 57 (2) 11 Pflanzenschutzgesetz hat das Julius Kühn-Institut die Aufgabe, Bienen auf Schäden durch Pflanzenschutzmittel zu untersuchen. Im Berichtsjahr 2019 wurden der Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen 132 Bienenschadensfälle mit 1014 geschädigten Völkern von 135 betroffenen Imkern aus dem gesamten Bundesgebiet gemeldet, bei denen eine Vergiftung durch Pflanzenschutzmittel oder nichtlandwirtschaftliche Biozide als Schadensursache vermutet wurde. Die meisten Schadensmeldungen kamen aus Bayern (28), gefolgt von Baden-Württemberg (17), Sachsen (16), Nordrhein-Westfalen (15), Hessen (10), Mecklenburg-Vorpommern (9), Schleswig-Holstein (7), Sachsen-Anhalt (7), Brandenburg (6), Niedersachsen (5), Thüringen (4), Rheinland-Pfalz (3), Hamburg (2), Berlin (2) und Saarland (1). Das Ausmaß der Schädigung reichte von einzelnen toten Bienen bis hin zu Totalverlusten von Völkern. In einigen Fällen waren Verluste ganzer Stände zu beklagen.

Zur Klärung der Schadensursache wurden von den betroffenen Imkern bzw. den beteiligten Institutionen 145 Bienenproben, 67 Pflanzenproben und 15 Proben mit Waben und anderen Materialien eingesandt. Die Probennahme und Einsendung der Proben erfolgte in vielen Fällen in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des zuständigen Pflanzenschutzdienstes. Zu 99 Schadensfällen wurde geeignetes Bienenmaterial eingesandt, so dass eine Untersuchung zum Nachweis einer Bienenvergiftung durch Pflanzenschutzmittel bzw. Biozide durchgeführt werden konnte. Bei 33 Schadensfällen war das Probenmaterial zu gering, zu alt oder aus anderen Gründen für eine aussagekräftige Untersuchung nicht geeignet.

Geeignete Bienen- und Pflanzenproben wurden zunächst in einem Biotest mit den Larven der Gelbfiebermücke Aedes aegypti L. auf Anwesenheit toxischer Substanzen untersucht. Bei 84 Schadensfällen war aufgrund der Testergebnisse nicht auszuschließen, dass das Bienenmaterial Rückstände bienentoxischer Pflanzenschutzmittel oder Biozide enthält. Entsprechende Proben wurden daraufhin chemisch mittels hochempfindlicher LC-MS/MS und GC/MS Technik auf 200 Wirkstoffe aus zugelassenen und nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln, nichtlandwirtschaftlichen Bioziden und Varroabekämpfungsmitteln untersucht, darunter 147 Insektizide, Akarizide und Nematizide. 

Sofern Pflanzenproben von behandelten Kulturen vorlagen, bei denen sich im Biotest ebenfalls Hinweise auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln ergeben hatten, wurde sowohl Bienen- als auch Pflanzenmaterial zusätzlich auf zahlreiche nicht bienentoxische Wirkstoffe aus Herbiziden und Fungiziden untersucht, die der Zuordnung von Bienen- und Pflanzenproben dienen (insgesamt 293 Wirkstoffe). Bei 15 Schadensfällen konnte aufgrund des Biotests eine Kontamination des Bienenmaterials mit bienentoxischen Substanzen weitgehend ausgeschlossen werden. Eine aufwendige chemische Untersuchung wurde in diesen Fällen nicht veranlasst, um die Bearbeitungszeiten anderer Schadensfälle zu verringern.

Bei der routinemäßigen Untersuchung auf Befall mit dem Darmparasiten Nosema apis bzw. N. ceranae wurden in 52 von 102 untersuchten Bienenproben Sporen des Erregers gefunden. In 5 Bienenproben wurde ein deutlicher bis starker Befall festgestellt, der darauf schließen lässt, dass die betroffenen Völker an Nosemose erkrankt waren. Bei 11 Bienenproben wurde ein mittlerer Befall festgestellt. Bei den übrigen Proben war der Nosema-Befund unauffällig.

Bei 100 Bienenproben wurde Pollen aus dem Haarkleid oder den Pollenhöschen der Bienen entnommen und lichtmikroskopisch untersucht, um Hinweise auf die zuletzt beflogenen Pflanzen bzw. Kulturen zu erhalten. Der Pollen wurde anhand von Größe, Form, Oberflächenstruktur und anderen Merkmalen bestimmt und den entsprechenden Pflanzenfamilien bzw. -gattungen zugeordnet. Die Ergebnisse der Pollenanalyse liefern in vielen Schadensfällen entscheidende Hinweise auf die schadensursächliche Kultur und damit auf den potentiellen Schadensverursacher.

In 39 Schadensfällen wurden bei der chemischen Untersuchung bienentoxische Wirkstoffe im Bienenmaterial nachgewiesen. Bei 16 dieser Fälle handelte es sich um Insektizide, die in bienengefährlichen Pflanzenschutzmitteln mit der Einstufung B1 (jegliche Anwendung an blühenden Pflanzen einschl. Unkräutern verboten) bzw. B2 (Blütenanwendung nur abends nach dem Bienenflug) enthalten sind. In 2 Schadensfällen wurden als bienengefährlich eingestufte Tankmischungen als mögliche Schadensursache identifiziert. In 13 Schadensfällen wurden im Bienenmaterial Insektizide nachgewiesen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Bioziden stammen, aber in der Vergangenheit auch als Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe zugelassen oder genehmigt waren, so dass eine illegale landwirtschaftliche Verwendung nicht völlig ausgeschlossen werden kann. Hinzu kommen 8 Schadensfälle, bei denen im Bienenmaterial Insektizide nachgewiesen wurden, die eindeutig aus Bioziden stammen und vermutlich gezielt in die betroffenen Bienenvölker eingebracht wurden (Frevel). In einem dieser sogenannten Frevelschäden konnten gleich 6 akut bienentoxische Insektizide aus Bioziden sowie ein Wirkverstärker in teils hohen Konzentration in den getöteten Bienen nachgeweisen werden.

Häufigste schadensursachliche Wirkstoffe bei Bienenschäden im Jahr 2019:
 Häufigste schadensursachliche Wirkstoffe bei Bienenschäden im Jahr 2019

Die Ergebnisse der biologischen und chemischen Untersuchungen wurden den Einsendern des Probenmaterials zugeschickt. Insgesamt wurden 99 biologische und 84 chemische Befunde erstellt. Für alle vollständig biologisch-chemisch untersuchten Schadensfälle wurde zudem eine abschließende Bewertung der Untersuchungsergebnisse erstellt und den Einsendern zusammen mit dem chemischen Befund zugeschickt. Sämtliche Befunde wurden den zuständigen Pflanzenschutzdiensten zur Information mitgeteilt.

Die Anzahl der gemeldeten Schäden liegt deutlich über dem Niveau des Vorjahres, bewegt sich aber im Rahmen der letzten Jahre. In 61% der Fälle konnten von den betroffenen Imkern keine Angaben zur wahrscheinlichen Schadensursache gemacht werden, in 28% der Fälle wurden Pflanzenschutzmaßnahmen in Obst, Raps, Getreide und anderen Kulturen vermutet; in 11% der Fälle wurde Frevel (mutwillige Vergiftung) vermutet.

Der Anteil möglicher Vergiftungsschäden durch Wirkstoffe aus zugelassenen Pflanzenschutzmitteln an den biologisch-chemisch untersuchten Schadensfällen beträgt 21%. Davon betroffen waren 18 Imker mit 136 Bienenvölkern. Ursache waren Fehlanwendungen von als bienengefährlich eingestuften Insektiziden mit der Einstufung B1 bzw. B2 oder bestimmter als bienengefährlich eingestufter Mischungen aus Insektiziden und Fungiziden. In fast allen Fällen handelte es sich um mehr oder weniger eindeutige Verstöße gegen die Bienenschutzverordnung. In ca. 16% der untersuchten Schadensfälle waren bienentoxische Wirkstoffe aus Bioziden bzw. nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln beteiligt, die aber häufig nur in Spuren vorlagen und nicht einer bestimmten Schadensquelle zugeordnet werden konnten. In 10 % der Fälle wurden reine Biozid-Wirkstoffe in teils hohen Dosierungen aus sogenannten Frevelschäden nachgewiesen. Der am häufigsten in Bienen nachgewiesene schadensursächliche Wirkstoff war das bienentoxische Insektizid Imidacloprid, für das seit 2018 ein EU-weites Verbot für Freilandanwendungen in der Landwirtschaft gilt. Als mögliche Schadensquelle kommen daher auch Imidacloprid-haltige Biozide für den Hausgebrauch oder in der Tierhaltung infrage. An den 39 Schadensfällen, bei denen eine Vergiftung der Bienen durch bienentoxische Wirkstoffe aus Pflanzenschutzmittel oder Bioziden wahrscheinlich oder zumindest nicht auszuschließen war, waren im Berichtsjahr bundesweit insgesamt 40 Imker mit 212 Bienenvölker beteiligt.

In deutlich über der Hälfte (63%) der untersuchten Bienenschadensfälle konnten mit der hochempfindlichen Rückstandsanalytik der Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen keine bienentoxischen Wirkstoffe aus Pflanzenschutzmitteln oder Bioziden in den geschädigten Bienen nachgewiesen werden. Die Mehrzahl dieser Schäden stammt aus dem zeitigen Frühjahr sowie aus den Monaten Oktober bis Dezember, in denen kaum Pflanzenschutzmaßnahmen durchgeführt werden und ist aufgrund der Symptomatik in erster Linie Bienenkrankheiten, insbesondere Schädigungen durch von der Varroamilbe übertragene Bienenviren, zuzurechnen. Von vielen Imkern wurde zudem vermutet, dass der intensive Beflug von spät blühenden Zwischenfrüchten wie Senf und Phacelia, aber auch von Blühstreifen, wegen der ungewöhnlich warmen Witterung im Spätherbst zur Schwächung der Winterbienen und letztendlich zum Verlust betroffener Völkern geführt hat. Die Ergebnisse der routinemäßigen Pollenuntersuchungen bestätigen zumindest den intensiven Beflug dieser Kulturen.

Kontakt:

Dr. Jens Pistorius
Institut für Bienenschutz
Julius Kühn-Institut
Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Messeweg 11-12
38104 Braunschweig
jens.pistorius@julius-kuehn.de
Tel: 0049 - (0)531 299 - 4200
David Thorbahn
Institut für Bienenschutz
Julius Kühn-Institut
Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Messeweg 11-12
38104 Braunschweig
david.thorbahn@julius-kuehn.de
Tel: 0049 - (0)531 299 - 4206
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