Jahresbericht der Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen für 2020
JKI, Institut für Bienenschutz
Autoren: Jens Pistorius, David Thorbahn, Gabriela Bischoff
Mitwirkende: Christiane Klein, Hartmut Nowak, Kerstin Paulutt, Benjamin Grasz, Renate Scheb-Wetzel
Nach § 57 (2) 11 Pflanzenschutzgesetz hat das Julius Kühn-Institut die Aufgabe, Bienen auf Schäden durch Pflanzenschutzmittel zu untersuchen. Im Berichtsjahr 2020 wurden der Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen 147 Bienenschadensfälle mit 1284 geschädigten Völkern von 151 betroffenen Imkern aus dem gesamten Bundesgebiet gemeldet, bei denen eine Vergiftung durch Pflanzenschutzmittel oder nichtlandwirtschaftliche Biozide als Schadensursache vermutet wurde. Die meisten Schadensmeldungen kamen aus Bayern (36), gefolgt von Baden-Württemberg (31), Nordrhein-Westfalen (16), Niedersachsen (13), Mecklenburg-Vorpommern (9), Brandenburg (9); Hessen (8), Sachsen (7), Schleswig-Holstein (6), Rheinland-Pfalz (4), Sachsen-Anhalt (2), Thüringen (2), Saarland (2), Hamburg (1) und Berlin (1). Das Ausmaß der Schädigung reichte von einzelnen toten Bienen bis hin zu Totalverlusten von Völkern. In einigen Fällen waren Verluste ganzer Stände zu beklagen.
Zur Klärung der Schadensursache wurden von den betroffenen Imkern bzw. den beteiligten Institutionen 179 Bienenproben, 98 Pflanzenproben, 28 Proben mit Waben und 17 mit sonstigen Materialien eingesandt. Die Probennahme und Einsendung der Proben erfolgte in vielen Fällen in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des zuständigen Pflanzenschutzdienstes. Zu 110 Schadensfällen wurde geeignetes Bienenmaterial eingesandt, so dass eine Untersuchung zum Nachweis einer Bienenvergiftung durch Pflanzenschutzmittel bzw. Biozide durchgeführt werden konnte. Bei 37 Schadensfällen war das Probenmaterial zu gering, zu alt oder aus anderen Gründen für eine aussagekräftige Untersuchung nicht geeignet.
In 51% der Fälle konnten von den betroffenen Imkern keine Angaben zur wahrscheinlichen Schadensursache gemacht werden, in 33% der Fälle wurden Pflanzenschutzmaßnahmen in Obst, Raps, Getreide und anderen Kulturen vermutet; in 15% der Fälle wurde Frevel (mutwillige Vergiftung) vermutet.
Geeignete Bienen- und Pflanzenproben wurden zunächst in einem Biotest mit den Larven der Gelbfiebermücke Aedes aegypti L. auf Anwesenheit toxischer Substanzen untersucht. Bei 85 Schadensfällen war aufgrund der biologischen Testergebnisse nicht auszuschließen, dass das Bienenmaterial Rückstände bienentoxischer Pflanzenschutzmittel oder Biozide enthält. Entsprechende Proben wurden daraufhin chemisch mittels hochempfindlicher LC-MS/MS und GC/MS Technik auf 200 Wirkstoffe aus zugelassenen und nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln, nichtlandwirtschaftlichen Bioziden und Varroabekämpfungsmitteln untersucht, darunter 147 Insektizide, Akarizide und Nematizide.
Sofern Pflanzenproben von behandelten Kulturen vorlagen, bei denen sich im Biotest ebenfalls Hinweise auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln ergaben, wurde sowohl Bienen- als auch Pflanzenmaterial zusätzlich auf zahlreiche nicht bienentoxische Wirkstoffe aus Herbiziden und Fungiziden untersucht, die der Zuordnung von Bienen- und Pflanzenproben dienen (insgesamt 293 Wirkstoffe). Bei 25 Schadensfällen konnte aufgrund des Biotests eine Kontamination des Bienenmaterials mit bienentoxischen Substanzen weitgehend ausgeschlossen werden. Eine aufwendige chemische Untersuchung wurde in diesen Fällen nicht veranlasst, um die Bearbeitungszeiten anderer Schadensfälle zu verringern.
Bei der routinemäßigen Untersuchung auf Befall mit dem Darmparasiten Nosema apis bzw. N. ceranae wurden in 53 von 116 untersuchten Bienenproben Sporen des Erregers gefunden. In 1 Bienenprobe wurde ein deutlicher bis starker Befall festgestellt, der darauf schließen lässt, dass die betroffenen Völker an Nosemose erkrankt waren. Bei 12 Bienenproben wurde ein mittlerer Befall festgestellt. Bei den übrigen Proben war der Nosema-Befund unauffällig.
Bei 117 Bienenproben wurde Pollen aus dem Haarkleid oder den Pollenhöschen der Bienen entnommen und lichtmikroskopisch untersucht, um Hinweise auf die zuletzt beflogenen Pflanzen bzw. Kulturen zu erhalten. Der Pollen wurde anhand von Größe, Form, Oberflächenstruktur und anderen Merkmalen bestimmt und den entsprechenden Pflanzenfamilien bzw. -gattungen zugeordnet. Die Ergebnisse der Pollenanalyse können bei Bienenschäden durch Pflanzenschutzmittel wichtige Hinweise auf die schadensursächliche Kultur und damit auf den potentiellen Schadensverursacher liefern.
In 33 Schadensfällen wurden bei der chemischen Untersuchung bienentoxische Wirkstoffe im Bienenmaterial nachgewiesen. Die häufigsten schadensursächlichen Wirkstoffe bzw. Wirkstoffkombinationen sind in Tabelle 1 dargestellt. Bei 16 dieser Fälle handelte es sich um Insektizide, die in bienengefährlichen Pflanzenschutzmitteln mit der Einstufung B1 (jegliche Anwendung an blühenden Pflanzen einschl. Unkräutern verboten) bzw. B2 (Blütenanwendung nur abends nach dem Bienenflug) enthalten sind. In 8 Schadensfällen wurden als bienengefährlich eingestufte Tankmischungen als mögliche Schadensursache identifiziert. In 3 Schadensfällen wurden im Bienenmaterial Insektizide nachgewiesen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Bioziden stammen, aber in der Vergangenheit auch als Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe zugelassen oder genehmigt waren, so dass eine illegale landwirtschaftliche Verwendung nicht völlig ausgeschlossen werden kann. Hinzu kommen 6 Schadensfälle, bei denen im Bienenmaterial Insektizide nachgewiesen wurden, die eindeutig aus Bioziden stammen und vermutlich gezielt in die betroffenen Bienenvölker eingebracht wurden (Frevel).
Häufigste schadensursachliche Wirkstoffe bei Bienenschäden im Jahr 2020:
* Fungizide aus der Gruppe der Ergosterol-Biosynthesehemmer (sog. Azol-Fungizide)
** unterschiedliche Einstufungen abhängig von der zugelassenen Aufwandmenge und dem Anwendungsbereich der jeweiligen Produkte
Die Ergebnisse der biologischen und chemischen Untersuchungen wurden den Einsendern des Probenmaterials zugeschickt. Insgesamt wurden 110 biologische und 85 chemische Befunde erstellt. Für alle vollständig biologisch-chemisch untersuchten Schadensfälle wurde zudem eine abschließende Bewertung der Untersuchungsergebnisse erstellt und den Einsendern zusammen mit dem chemischen Befund zugeschickt. Sämtliche Befunde wurden den zuständigen Pflanzenschutzdiensten zur Information mitgeteilt.
Die Anzahl der gemeldeten Schäden lag geringfügig über dem Niveau des Vorjahres. Der Anteil möglicher Vergiftungsschäden an den biologisch-chemisch untersuchten Schadensfällen durch Wirkstoffe, die in zugelassenen Pflanzenschutzmitteln enthalten sind, betrug 28%. Davon betroffen waren 24 Imker mit 349 Bienenvölkern. Ursache waren Fehlanwendungen von als bienengefährlich eingestuften Insektiziden mit der Einstufung B1 bzw. B2 oder als bienengefährlich eingestufter Mischungen aus Insektiziden mit anderen Insektiziden oder bestimmten Fungiziden. In fast allen Fällen handelte es sich um mehr oder weniger eindeutige Verstöße gegen die Bienenschutzverordnung. In ca. 3,5% der untersuchten Schadensfälle waren bienentoxische Wirkstoffe aus Bioziden bzw. nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln beteiligt, die aber häufig nur in Spuren vorlagen und nicht einer bestimmten Schadensquelle zugeordnet werden konnten. In 7 % der Fälle wurden reine Biozid-Wirkstoffe in teils hohen Dosierungen aus sogenannten Frevelschäden nachgewiesen. Der am häufigsten im Zusammenhang mit einer Vergiftung in Bienen nachgewiesene Pflanzenschutzmittel-Wirkstoff war das Insektizid Thiacloprid in Kombination mit sogenannten Azol-Fungiziden. Aufgrund neuerer Erkenntnisse ist eine synergistische Wirkung des in nicht bienengefährlichen Pflanzenschutzmitteln enthaltenen Insektizids mit einzelnen Wirkstoffen aus der Gruppe der Azol-Fungizide nicht auszuschließen, so dass aus Sicherheitsgründen zuletzt alle Kombinationen als bienengefährlich eingestuft werden mussten. Eine tatsächliche ursächliche Schädigung der betroffenen Völker war in diesen Fällen jedoch nicht nachweisbar, da sich die Befunde in Bienen am Rande der Nachweisgrenze und damit weit unterhalb jeglicher bienenschädigender Konzentrationen bewegten.
Von den bundesweit insgesamt 33 Schadensfällen, bei denen eine Vergiftung der Bienen durch bienentoxische Wirkstoffe aus Pflanzenschutzmitteln oder Bioziden aufgrund der Untersuchungsergebnisse wahrscheinlich oder zumindest nicht auszuschließen war, waren insgesamt 35 Imker mit 465 Bienenvölkern betroffen.
In über der Hälfte (61%) der untersuchten Bienenschadensfälle konnten mit der hochempfindlichen Rückstandsanalytik der Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen keine bienentoxischen Wirkstoffe aus Pflanzenschutzmitteln oder Bioziden in den geschädigten Bienen nachgewiesen werden.