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Jahresbericht der Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen für 2021

JKI, Institut für Bienenschutz

Autoren: Jens Pistorius, David Thorbahn, Gabriela Bischoff
Mitwirkende: Christiane Klein, Hartmut Nowak, Kerstin Paulutt, Benjamin Grasz

Nach § 57 (2) 11 Pflanzenschutzgesetz hat das Julius Kühn-Institut die Aufgabe, Bienen auf Schäden durch Pflanzenschutzmittel zu untersuchen. Im Berichtsjahr 2021 wurden der Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen 72 Bienenschadensfälle mit 419 geschädigten Völkern von 76 betroffenen Imkern aus dem gesamten Bundesgebiet gemeldet, bei denen eine Vergiftung durch Pflanzenschutzmittel oder nichtlandwirtschaftliche Biozide als Schadensursache vermutet wurde. Die meisten Schadensmeldungen kamen aus Bayern (19), gefolgt von Baden-Württemberg (8), Nordrhein-Westfalen (8), Hessen (7), Niedersachsen (6),  Schleswig-Holstein (6),  Sachsen (5), Thüringen (4), Sachsen-Anhalt (3), Rheinland-Pfalz (2), Brandenburg (1), Saarland (1), Hamburg (1) und Berlin (1). Aus Mecklenburg-Vorpommern wurden keine Schäden gemeldet. Das Ausmaß der Schädigung reichte von einzelnen toten Bienen bis hin zu Totalverlusten von Völkern. In einigen Fällen waren Verluste ganzer Stände zu beklagen.

Zur Klärung der Schadensursache wurden von den betroffenen Imkern bzw. den beteiligten Institutionen 90 Bienenproben, 21 Pflanzenproben, 9 Proben mit Waben und 1 mit sonstigen Materialien eingesandt. Die Probennahme und Einsendung der Proben erfolgte in vielen Fällen in Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des zuständigen Pflanzenschutzdienstes. Zu 58 Schadensfällen wurde geeignetes Bienenmaterial eingesandt, so dass eine Untersuchung zum Nachweis einer Bienenvergiftung durch Pflanzenschutzmittel bzw. Biozide durchgeführt werden konnte. Bei 14 Schadensfällen war das Probenmaterial zu gering, zu alt oder aus anderen Gründen für eine aussagekräftige Untersuchung nicht geeignet.

In 51% der Fälle konnten von den betroffenen Imkern keine Angaben zur wahrscheinlichen Schadensursache gemacht werden, in 26% der Fälle wurden Pflanzenschutzmaßnahmen in Obst, Raps, Getreide und anderen Kulturen vermutet; in Mais und Spargel jedoch nicht. In 22% der Fälle wurde Frevel (mutwillige Vergiftung) vermutet.

Geeignete Bienen- und Pflanzenproben wurden zunächst in einem Biotest mit den Larven der Gelbfiebermücke Aedes aegypti L. auf Anwesenheit toxischer Substanzen untersucht. Bei 44 Schadensfällen war aufgrund der biologischen Testergebnisse nicht auszuschließen, dass das Bienenmaterial Rückstände bienentoxischer Pflanzenschutzmittel oder Biozide enthält. Entsprechende Proben wurden daraufhin chemisch mittels hochempfindlicher LC-MS/MS und GC/MS Technik auf 200 Wirkstoffe aus zugelassenen und nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln, nichtlandwirtschaftlichen Bioziden und Varroabekämpfungsmitteln untersucht, darunter 146 Insektizide, Akarizide und Nematizide.        
Sofern Pflanzenproben von behandelten Kulturen vorlagen, bei denen sich im Biotest ebenfalls Hinweise auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln ergaben, wurde sowohl Bienen- als auch Pflanzenmaterial zusätzlich auf zahlreiche nicht bienentoxische Wirkstoffe aus Herbiziden und Fungiziden untersucht, die der Zuordnung von Bienen- und Pflanzenproben dienen (insgesamt 294 Wirkstoffe). Bei 13 Schadensfällen konnte aufgrund des Biotests eine Kontamination des Bienenmaterials mit bienentoxischen Substanzen weitgehend ausgeschlossen werden. Eine aufwendige chemische Untersuchung wurde in diesen Fällen nicht veranlasst, um die Bearbeitungszeiten anderer Schadensfälle zu verringern.

Bei der routinemäßigen Untersuchung auf Befall mit dem Darmparasiten Nosema apis bzw. N. ceranae wurden in 37 von 68 untersuchten Bienenproben Sporen des Erregers gefunden. In 7 Bienenproben wurde ein erhöhter Befall festgestellt, der vermuten lässt, dass die betroffenen Völker latent an Nosemose erkrankt waren. Bei den übrigen 30 Proben war der Nosema-Befund unauffällig.

Bei 66 Bienenproben wurde Pollen aus dem Haarkleid oder den Pollenhöschen der Bienen entnommen und lichtmikroskopisch untersucht, um Hinweise auf die zuletzt beflogenen Pflanzen bzw. Kulturen zu erhalten. Der Pollen wurde anhand von Größe, Form, Oberflächenstruktur und anderen Merkmalen bestimmt und den entsprechenden Pflanzenfamilien bzw. -gattungen zugeordnet. Die Ergebnisse der Pollenanalyse können bei Bienenschäden durch Pflanzenschutzmittel wichtige Hinweise auf die schadensursächliche Kultur und damit auf den potentiellen Schadensverursacher liefern.

In 14 Schadensfällen wurden bei der chemischen Untersuchung bienentoxische Wirkstoffe im Bienenmaterial nachgewiesen. Die häufigsten schadensursächlichen Wirkstoffe bzw. Wirkstoffkombinationen sind in Tabelle 1 dargestellt. Bei 7 dieser Fälle handelte es sich um Insektizide, die in bienengefährlichen Pflanzenschutzmitteln mit der Einstufung B1 (jegliche Anwendung an blühenden Pflanzen einschl. Unkräutern verboten) bzw. B2 (Blütenanwendung nur abends nach dem Bienenflug) enthalten sind oder um eine als B2 eingestufte Kombination aus einem als nicht bienengefährlich eingestuften Insektizid (B4) und einem sogennanten Azol-Fungizid (B4). In 6 Schadensfällen wurden im Bienenmaterial Insektizide nachgewiesen, die eindeutig aus Bioziden stammen und vermutlich gezielt in die betroffenen Bienenvölker eingebracht wurden (Frevel) bzw. von mutmaßlich kontaminierten Futterquellen eingetragen wurden. In einem Schadensfall hatte die Nachfrage ergeben, dass das in den Bienen nachgewiesene bienentoxische Insektizid aus einem Präparat gegen Zecken und Flöhe bei Hunden und Katzen stammte und nach dem Streicheln des im Haushalt lebenden Hundes über Hautkontakt bei der Probennahme auf die verendeten Bienen übertragen wurde.

Häufigste schadensursachliche Wirkstoffe bei Bienenschäden im Jahr 2021:
Häufigste schadensursachliche Wirkstoffe bei Bienenschäden im Jahr 2021

1 Fungizide aus der Gruppe der Ergosterol-Biosynthesehemmer (sog. Azol-Fungizide)
2 unterschiedliche Einstufungen abhängig von der zugelassenen Aufwandmenge und dem Anwendungsbereich der jeweiligen  
  Produkte
in zuckerhaltigen Granulaten zur Ameisenbekämpfung sowie in Präparaten gegen Läuse, Zecken und Haarlinge bei Hunden und
   Katzen enthalten
4 Cypermethrin (B1) und zeta-Cypermethrin (B2) lassen sich mit dem chromatographischen Messverfahren nicht unterscheiden

Die Ergebnisse der biologischen und chemischen Untersuchungen wurden den Einsendern des Probenmaterials zugeschickt. Insgesamt wurden 57 biologische und 46 chemische Befunde erstellt. Für alle vollständig biologisch-chemisch untersuchten Schadensfälle wurde zudem eine abschließende Bewertung der Untersuchungsergebnisse erstellt und den Einsendern zusammen mit dem chemischen Befund zugeschickt. Sämtliche Befunde wurden den zuständigen Pflanzenschutzdiensten zur Information mitgeteilt.

Der Anteil möglicher Vergiftungsschäden an den biologisch-chemisch untersuchten Schadensfällen durch Wirkstoffe, die in zugelassenen Pflanzenschutzmitteln enthalten sind, betrug 15%. Davon betroffen waren 12 Imker mit 70 Bienenvölkern. Ursache waren Fehlanwendungen von als bienengefährlich eingestuften Insektiziden mit der Einstufung B1 bzw. B2 oder bestimmter als bienengefährlich eingestufter Mischungen aus Insektiziden und Fungiziden. In allen Fällen handelte es sich um mehr oder weniger eindeutige Verstöße gegen die Bienenschutzverordnung. In 13 % der Fälle wurden reine Biozid-Wirkstoffe in teils hohen Dosierungen aus sogenannten Frevelschäden nachgewiesen. In einem Fall (2%) war der nachgewiesene Biozid-Wirkstoff erst bei der Probennahme in das Bienenmaterial gelangt.

Von den bundesweit insgesamt 13 Schadensfällen, bei denen eine Vergiftung der Bienen durch bienentoxische Wirkstoffe aus Pflanzenschutzmitteln oder Bioziden aufgrund der Untersuchungsergebnisse wahrscheinlich oder zumindest nicht auszuschließen war, waren insgesamt 18 Imker mit 129 Bienenvölkern betroffen.

In 70% der biologisch-chemisch untersuchten Bienenschadensfälle konnten mit der hochempfindlichen Rückstandsanalytik der Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen keine bienentoxischen Wirkstoffe aus Pflanzenschutzmitteln oder Bioziden in den geschädigten Bienen nachgewiesen werden. Die Anzahl der insgesamt gemeldeten Schäden lag deutlich unter dem Niveau des Vorjahres.

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